Linkswärts e. V.


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Bildung in gesellschaftlichen Zusammenhängen

Liberté, Égalité, Fraternité - Unter der Voraussetzung der Gleichheit mit uneingeschränkter Solidarität zur Freiheit aller Menschen! Dies wurde im Lichte der Aufklärung zum Programm für Menschenrechte und Demokratie.

Der Fall "Emmely" beweist allerdings, dass wir uns in diesem Lande die Gleichheit erst wiedererkämpfen müssen. Mit der Freiheit ist es für Millionen Langzeitarbeitslose vorbei, wenn sie mit Hartz IV einer Aussage von Götz Werner zufolge wie unter Bedingungen des offenen Strafvollzugs leben müssen. Mit Hartz IV wird die Existenz als Wirtschaftsubjekt ausgelöscht. Solidarität ist noch am Wirken, jedoch verzerrt: Hunderte von Milliarden Euro für "notleidende Banken" werden akzeptiert, die Abwrackprämie für Besitzer eines (alten) Autos trotz ihrer ökologischen und ökonomischen Zweifelhaftigkeit massenhaft angenommen, aber Versuche, den Hartz-IV-Regelsatz auf nur 435 Euro anzuheben, was 10 Milliarden Euro jährlich kosten würde, wird mit der zynischen Begründung abgeblockt, das Geld würde nur in Alkohol- und Zigarettenkonsum fließen. Nicht zuletzt ist die Demokratie in Gefahr, wenn der Verfassungsminister Freiheits- und Menschenrechte dem Sicherheitswahn des internationalen Kreuzzugs gegen "den Terror" opfert. Selbst mit der Aufklärung ist es nicht mehr weit her, wie man an den auf dem Vormarsch befindlichen Kreationisten erkennen kann.

Schlüssel zum Fortschritt in all diesen gesellschaftlichen Aspekten ist die Bildung – selbstverständlich nicht (allein) unter dem Vorzeichen der marktradikalen Verwertungslogik, sondern vielmehr in Form einer uns bei den Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Neuen Sozialen Bewegungen vorschwebenden demokratisch organisierten und zur aktiven Teilhabe an der Demokratie ermächtigenden Bildung.

Sie würde etwa bei der Beurteilung des Falles "Emmely" nützen, dass es sich nicht einfach um ein "barbarisches Urteil von asozialer Qualität" handelte, wie Wolfgang Thierse sagte, sondern eine systematische Pervertierung des historisch als Arbeitnehmerschutzrecht angetretenen Arbeitsrechts darstellt. Bildung hätte sich als nützlich erweisen können bei den Entscheidern des neuen Urheberrechts, die noch nichts von der Wissensgesellschaft gehört haben. Eine Wissensgesellschaft erfordert frei zugängliches Wissen, und die Technik liefert mit dem verteilten Internet die Voraussetzung, um diese Freiheit nach dem Grundsatz, dass Kosten dann nicht auftreten, wenn Produkte nicht knapp sind, was für digitale Multimediadaten zweifelsfrei zutrifft, zu gewährleisten. Bildung würde den Gewerkschaften bei der Selbstanalyse die Erkenntnis vermitteln, dass man das allgemeinpolitische Mandat – um das die Studierendenvertretungen nach wie vor ringen – nicht leichtfertig verspielt, indem man die Rolle als Repräsentant der Arbeiterklasse (die zudem weiterentwickelt gehört in eine Repräsentanz der Klasse der Erwerbspersonen) aufgibt und sich auf eine Rolle als Erwerbstätigen- oder gar Betriebsräte-Lobby einengt. Bildung könnte die SPD retten, die blind ist gegenüber der an Umfrageergebnissen ablesbaren Tatsache, dass die von ihr zuletzt verfolgte Machtpolitik mit einem "Weiter so!" nicht funktionieren wird. Bildung hätte nicht zuletzt den Verantwortlichen in der Bildungspolitik geholfen, nicht nur zu erkennen, dass ihre hoheitliche Aufgabe der qualifizierenden Persönlichkeitsbildung mit einem BA/MA-System schwieriger zu erfüllen sein würde, sondern auch eine widerstandsfähige Gegenposition einzunehmen und durchzusetzen – und zwar aus eben diesem Grunde, weil echte Bildung souveräne Menschen hervorzubringen vermag.

Manfred Bartl

Stellvertretender Vorstandsvorsitzender Linkswärts e. V.